Streuobstwiese
Die Streuobstwiese, regional auch Obstwiese, Obstgarten, Bitz, Bangert, Bongert oder Bungert (Baumgarten) genannt, ist eine traditionelle Form des Obstbaus. Auf Streuobstwiesen stehen verstreute hochstämmige Obstbäume meist unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Arten und Sorten. Der moderne, intensive Obstanbau ist dagegen von niederstämmigen Obstsorten in Monokultur geprägt (Obstplantagen).
Ökologie der Streuobstwiesen
Für die Streuobstwiese eignen sich nur robuste veredelte Hochstämme mit geringen Ansprüchen an Pflege und Standort. Die Wildformen stellten auf Grund ihrer Herkunft jedoch meist hohe Ansprüche an Boden und Klima, daher wurden spezielle, widerstandsfähige Sorten gezüchtet, die den jeweiligen Gegebenheiten nahezu perfekt angepasst sind. Die Sortenvielfalt hat daher stets einen regionalen Bezug; traditionelle Artenzusammensetzung und Sortenauswahl weisen einen sehr hohen Spezialisierungsgrad für unterschiedliche Standorte und Nutzungen auf. Von den über 3000 Apfelsorten Mitteleuropas sind nur etwa 60 im deutschen Handel. Auf Streuobstwiesen finden sich jedoch noch viele alte Regionalsorten. Sie stellen daher ein wichtiges Reservoir für den Genpool der Kulturäpfel dar. Die typische Streuobstwiese gibt es nicht.
Die vielfältigen Ausprägungen sind auch Ausdruck landschaftsschützerischer Aspekte: Obstbäume können den Boden an Hängen vor Abtragung schützen, sodass eine Weidewirtschaft nachhaltig durchführbar ist. Die im 18. Jahrhundert typischen Streuobstgürtel der Siedlungen wirkten auch als Windschutz. Extreme Temperaturen werden abgeschwächt und die Windgeschwindigkeit vermindert. Mit ihren unterschiedlichen Wuchsformen, Blühzeiten und -farben und Herbstfärbungen nehmen sie auch eine gestalterische Funktion wahr. Die richtige Auswahl für die lokalen Variationen der Streuobstwiesen kann ein Pomologe leisten, ebenso sollten zu den jeweiligen Anpflanzungen von Ausgleichsmaßnahmen eine Qualitätssicherung von diesen Spezialisten durchgeführt werden, um die Zusammensetzung aus angepassten Sorten für den jeweiligen Standort zu sichern.
Auf extensiv bewirtschafteten Streuobstwiesen komplettiert je nach Artenzusammensetzung, Standortfaktoren und Zweitnutzung (Weide, Wiese, Acker) eine artenreiche Tierwelt (Fauna) die Lebensgemeinschaft (Biozönose). Insbesondere ist die Streuobstwiese ein wichtiger Lebensraum für Vögel und Gliederfüßer wie Insekten oder Spinnen. Streuobstwiesen weisen nur zwei deutliche „Stockwerke“ auf: die Kronenschicht der Obstbäume und die aus Gräsern, Kräutern und teilweise niederen Stauden bestehende Krautschicht. Durch den weiten Stand der lichtkronigen Bäume ist die Krautschicht besonnt und sehr vital. Im Unterschied zu Obstplantagen, selbst wenn dort auf Insektizide und Herbizide verzichtet wird, sind Streuobstwiesen wesentlich artenreicher. Dies gilt auch für den Vergleich von biologisch bewirtschafteten Niederstamm-Anlagen, deren Ökologie konventionell oder integriert bewirtschafteten Niederstammanlagen mehr gleicht als Streuobstwiesen („Ökologiegradient“).
Die Baumdichte auf Streuobstwiesen beträgt in Abhängigkeit von den Obstarten 60 bis 120 Bäume pro Hektar. Das ist wenig im Vergleich zu Obstplantagen, wo bis zu 3000 Bäume pro Hektar üblich sind. Für einen ausgewachsenen Hochstamm werden in der Regel 10 × 10 m Fläche eingeplant, während im Intensivanbau für eine Schlanke Spindel nur 1–2 m² benötigt werden.
Krautschicht
Die von Gräsern dominierte Krautschicht einer Streuobstwiese weist oft auch eine große Anzahl blühender Wiesenkräuter auf, die je nach Standortbedingungen verschieden zusammengesetzt sind. Eine artenreiche Flora wurde bei der klassischen Nutzungsweise vor allem durch eine extensive Beweidung mit Rindern oder Schafen begünstigt. Einige Pflanzenarten, die zum Biotop Streuobstwiese zählen, sind:
- Gewöhnlicher Frauenmantel (Alchemilla vulgaris)
- Großer Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis)
- Gelber Hohlzahn (Galeopsis segetum)
- Heilziest (Betonica officinalis)
- Herbstzeitlose (Colchicum autumnale)
- Löwenzahn (Taraxacum officinale)
- Schafgarbe (Achillea millefolium)
- Wiesenschaumkraut (Cardamine pratensis)
- Wilde Möhre (Daucus carota)
- Wiesen-Gelbstern (Gagea pratensis)
Lebensraum Streuobstwiese - wer lebt hier?
Streuobstwiesen sind „Hotspots“ der Biodiversität. Über 5.000 Tier- und Pflanzenarten leben hier. Je nach Bodentyp kommen unterschiedliche Pflanzengesellschaften vor. Typisch ist zum Beispiel die Glatthaferwiese, auf der neben dem namensgebenden Glatthafer Wiesen-Labkraut, Wiesen-Storchschnabel oder Wiesen-Glockenblume gedeihen. Diese Vielfalt lockt wiederum verschiedene Tierarten an: Insekten, Amphibien, Reptilien und Säugetiere.
Streuobstwiesen bieten durch ihre Strukturvielfalt ein Zuhause für viele Tier- und Pflanzenarten. Bereits die großen Baumkronen sind ein Lebensraum für sich. Höhlen in alten Bäumen finden Vögel wie der Steinkauz und baumbewohnende Fledermäuse geeignete Nistmöglichkeiten. Das Totholz an älteren Bäumen ist wichtig für Insekten. Im Gegenzug bestäuben sie die Obstbäume, wenn sie Nektar und Pollen sammeln. Vögeln dienen die Insekten als Nahrung. Außerdem sind Obstbäume wichtige Futterpflanzen für Schmetterlingsraupen. Einige Spechtarten wie Grünspecht und Wendehals, aber auch der Wiedehopf, suchen ihre Nahrung bevorzugt am Boden unter den Bäumen. Sie sammeln mit Vorliebe Ameisen und andere Insekten auf. Zum Brüten nutzen sie Baumhöhlen.
Säugetiere wie Igel und Siebenschläfer fressen das Obst, das unter den Bäumen liegt. Die Wiesen sind außerdem Standorte für zahlreiche seltene oder gefährdete Pflanzen. Unter anderem wachsen dort verschiedene Orchideenarten.
Ein typischer Bewohner: Der Steinkauz
Als Leitart werden Pflanzen und Tiere bezeichnet, die insbesondere typisch für vordefinierte Lebensräume sind. Der Steinkauz ist ein charakteristischer Höhlenbrüter auf der Streuobstwiese. Er zählt mit seinem 25 Zentimetern großen Körper zu den kleinen Eulenvögeln und wiegt mit ca. 180 Gramm weniger als zwei Tafeln Schokolade! Seit über 10 Jahren steht er auf der "Roten Liste" und ist vom Aussterben bedroht. In alten, knorrigen Obstbäumen brütet er bevorzugt und findet somit auf der Streuobstwiese ideale Nistmöglichkeiten. Auch alte Baumruinen sind hilfreich für ihn - er nutzt sie als Rufwarten und Aussichtspunkte, um seine Beute zu orten.
Da der Steinkauz mithilfe seine eigenen Ansprüche insbesondere empfindlich auf Landschaftsveränderungen antwortet, ist es lebensnotwendig, seinen Lebensraum zu erhalten und zu beschützen. In den 80er Annos sind Streuobstwiesen regelrecht gerodet worden; somit sind ebenfalls Brutstätten und Nahrungsquellen für den Steinkauz verschwunden. Wichtig sind also der Erhalt der verbliebenen Wiesen und ihre Pflege. Um weiteren Lebensraum zu erzeugen, setzt sich der BUND gleichwohl für die Neupflanzung von Streuobstwiesen ein. Als "Übergangswohnungen" auf diesen Wiesen können auf diese Weise genannte Steinkauzröhren offeriert werden, denn alte Baumhöhlen zum Nisten benötigen Jahre zum Entstehen.
Insekten
Die Honigbiene spielt für die Bestäubung der Obstbäume die herausragende Rolle. Durch die Überwinterung als komplettes Bienenvolk mit mehr als 10.000 Einzelbienen sind sie in der Lage, den größten Teil der Bestäubungsleistung zu erbringen.
- Ackerhummel (Bombus pascuorum)
- Admiral (Vanessa atalanta)
- Echte Wespen (Vespinae), insbesondere die Deutsche Wespe (Paravespula germanica)
- Großer Fuchs (Nymphalis polychloros)
- Schachbrett (Melanargia galathea)
- Schwalbenschwanz (Papilio machaon)
- verschiedene Kurzfühlerschrecken
- Wildbienen, zum Beispiel Mauerbienen.
Fleißige Helfer: Die Wildbienen
Streuobstwiesen sind für Honigbienen und viele Wildbienenarten eine ideale Heimat. Doch oft ist z.B. durch eine ungeeignete Pflege der natürliche Lebensraum nicht mehr intakt. In einer Zeit, in der die Intensivierung der Landwirtschaft mit Monokulturen wie Mais, der Einsatz von Pestiziden und das Verschwinden vielfältiger Strukturelemente und Landschaftsbestandteile den Bienen das Leben schwer machen, brauchen sie umso dringender geschützte Rückzugsräume.
Was können Sie tun, um Ihre Wiese zu einem Zuhause für (Wild-)Bienen zu machen?
Die meisten Wildbienenarten benötigen einen sonnigen und trockenen Lebensraum. Daher sollte man bei der Neuanlage einer Wiese darauf achten, einen Pflanzabstand von 20 x 20 m einzuhalten, um einen Kronenschluss und dadurch zu viel Schatten zu vermeiden. Besteht die Wiese bereits und ist zu viel Schatten vorhanden, kann man durch gezielten Rückschnitt der Baumkronen oder ein Ausdünnen des Baumbestandes für mehr sonnige Bereiche sorgen. Mehr Licht am Boden wird sich auch auf den Artenreichtum der Wiesenpflanzen auswirken.
Wichtig ist es auch, bei der Pflege der Wiese auf chemische Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide) zu verzichten. Sie sind Gift für Bienen! Außerdem sollte die Wiese nicht zu häufig gemäht werden und wenn möglich nur parzellenartig, damit
jederzeit Nahrung für die Bienen vorhanden ist. Eine potentielle Beweidung sollte aus diesem Grund ebenfalls nur parzellenartig erfolgen.
Im Frühjahr zur Obstbaumblüte sind Streuobstwiesen ein wahres Paradies für Honig- und Wildbienen. Doch um überleben zu können, brauchen sie während der gesamten Flugsaison von März bis Oktober ausreichend Nahrung. Deswegen sollte man in dieser Zeit dafür sorgen, dass möglichst viele typische Wiesenpflanzen blühen – welche das sind, ist natürlich immer vom Standort und der Nutzungshistorie abhängig.
Auf keinen Fall sollte man sofort die gesamte Fläche mit einer Blüh- oder Rasenmischung einsäen, sondern sich möglichst für diesen Schritt fachkundige Beratung bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB), einem Landschaftspflegeverband (LPV), einem Wildbienenexperten oder Imker suchen.
An einzelnen Stellen kann man erst einmal die Grasnarbe öffnen und mit etwas Geduld schauen, was natürlicherweise aus der Samenbank sprießt. Danach kann man gezielt mit Pflanzenlisten von der UNB, ansässigen Naturschutzvereinen etc. die vorhandenen Blühaspekte bienenfreundlich ergänzen. Die Orientierung an Pflanzen, die schon in der Umgebung wachsen, ist dabei immer gut. Man sollte auf jeden Fall regionales Saatgut verwenden. Achtung: Nur ungefüllte Blüten liefern den für Bienen lebenswichtigen Pollen!
Blühende Hecken mit z. B. Weißdorn, Hartriegel, Holunder, Schlehe, Faulbaum und Weiden können wahre Bienenmagneten sein und ergänzen das Blühangebot der Obstbäume, ebenso wie Beerensträucher, beispielsweise Johannis- und Stachelbeere, Himbeere und Brombeere. Verschiedene Waldbaumarten wie Linden, Ahorne oder in Wärmegebieten auch Esskastanien können das Blütenspektrum zusätzlich erweitern und insbesondere den Honigbienen und Hummeln Pollen und Nektar spenden.
Spinnentiere
Spinnen sind wegen des günstigen Kleinklimas in Streuobstwiesen sehr häufig. Sie finden hier einen idealen Lebensraum. Häufig sind:
- Kürbisspinne Araniella cucurbitina (Clerk 1775)
- Streckerspinne (Tetragnatha obtusa), Anyphaena accentuata, Veränderliche Krabbenspinne (Misumena vatia), Xysticus ulmi, Philodromus aureolus, Enoplognatha ovata
Hauptsächlich in der Krautschicht finden sich:
- Labyrinthspinne (Agelena labyrinthica)
- Schwarze Glücksspinne
Als Indikatorarten können folgende Arten gelten:
- Webspinne
- die Gartenkreuzspinne
- die Kürbisspinne (Araniella opisthographa)